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 SABINE'S GESCHICHTEN und ANEKDOTEN
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Beiträge: 135

07.01.2007 22:03
Reiten im Winter Zitat · Antworten


Reiten im Winter

Reiten ist eigentlich keine Sportart, die man vorzugsweise im Winter betreiben sollte, denn die klammen Finger und die durch die Nähte der Lederstiefel durchschlagende Schneefeuchtigkeit, welche die Füße a la Bofrost konserviert – das alles ist nicht kompatibel mit kleinen Trensenschnallen, steifen Lederriemen und Pferden, welche durch die Minusgrade vor Tatendrang geradewegs zu strotzen scheinen und ihre nimmermüden Hufe vorzugsweise da aufsetzen, wo die Eisen blaue Flecke und Quetschungen an des Reiters Zehen hinterlassen.

Aber nicht nur die unfreundlichen Temperaturen machen den Winter zu einer wenigen reiterfreundlichen Zeit, sondern auch der Umstand der früh einbrechenden Dunkelheit. Nicht dass die Spezies der Equiden nachts blind wären wie die Maulwürfe – das nicht, aber die Vereinsmitglieder, welche sich in den Sommermonaten in Feld, Wald und Wiese mit ihren Pferden tummeln oder sich auf die Außenplätze verteilen, streben nun ab 18 Uhr allesamt in die Reithalle, wo man nicht nur mehr sieht, sondern es auch weniger feucht und zugig ist als draußen. Auch diejenigen, welche weder Frischluftfanatiker sind, noch tägliche Besuche beim Pferd in den Sommermonaten als zwingend notwendig empfinden, weil es sich auf der Weide ganz alleine bewegt und es keine Not tut, es abends auch noch unbedingt mit dem Sattel zu beglücken, müssen nun wieder die Sommerfrische mit dem Hallenstaub tauschen, denn die Weiden sind im Winter gesperrt und die 3 x 3 m-Box reicht dem edlen Ross nun als Auslauf auch nicht wirklich.

Nach diesen Betrachtungen käme es dem Reiter – in diesem Fall mir, schon sehr recht, wenn Pferde es den Grizzlybären nachtäten und in einen Winterschlaf fallen würden, damit man sie nicht allabendlich zu bewegen gezwungen wäre.

Aber leider lässt sich auch mein Pferd nicht überreden, sich während der frostigen Zeit in sein Strohbettchen zu kuscheln und zu schlafen, bis der Frühling wieder einkehrt ...

... und so stehe ich auch heute wieder mit meinem erwartungsvoll herumzappelnden Trakehner auf der Stallgasse, und versuche den Sattelgurt anzuziehen, wobei ich mich aber nicht von meinen Handschuhen trennen mag, weil die meine Finger wenigstens mäßig warm halten. Die Schnalle rollt auch willig am Lederriemen entlang und bremst, als der Dorn das letzte Loch erreicht hat, um darin zu verschwinden. Leider verklemmt sich dabei auch die Fingerspitze meines Handschuhes unter der Schnalle und ich hänge untrennbar an meinem Pferd fest. Da ich nur noch eine Hand, nämlich diejenige, die nicht im Gurt fest hängt, zur Verfügung habe, um mich unter Aufwendung meiner Muskelkraft zu befreien, indem ich den Sattelriemen noch einmal hochziehe, fühle ich mich doch etwas gehandicapt und mein unfreundlicher Zossen, der es sowieso hasst, wenn man am Gurt herumzerrt und seine Bauchfreiheit einschränkt, knirscht mit den Zähnen, legt die Ohren an und versucht, die Flucht nach vorne anzutreten. Gleichzeitig den Zügel zu fassen und dabei den Gurt nicht loszulassen in dessen Schnalle noch immer mein Handschuh festklemmt, gelingt mir nun aber überhaupt nicht einhändig und so hopse ich – die Hand unter dem Sattelblatt verborgen - neben meinem Reittier her – bemüht meine Hand zu befreien und das Pferd zu bremsen.

Zur Hilfe kommt mir zu meiner großen Erleichterung eine Vereinskollegin, die sich meinem frisch voranschreitenden Trakehner in den Weg wirft und ihm den Weg abschneidet. Dass sie dann etwas verwundert schaut, als sie feststellt, dass es sich nicht um ein reiterlos flüchtendes Pferdchen handelt, sondern seine Besitzerin mit hochrotem Kopf an seiner Seite klebt, erstaunt mich nicht, denn ich habe das Pech eher kurz geraten zu sein, während meine Pferde immer wachsen, als hätte man ihnen Thomasmehl gefüttert und sie damit überdüngt.

Aber als sie mich, nachdem ich ihr meine missliche Lage erklärt habe fragt, warum ich denn nicht aus dem Handschuh schlüpfe und dann mit zwei Händen versuche, den Gurt wieder zu lösen, um das Teil zu befreien, ist mir sehr, sehr peinlich. Da hätte ich doch auch selbst drauf kommen können.

Die Chance, mit der Geschichte zum Vereinsstammtischthema Nummer 1 zu werden, ist nun relativ groß, aber was man nicht ändern kann sollte man besser akzeptieren. Nur will man ja auch vermeiden, weiteres Öl ins Feuer zu gießen und so versuche ich mein Pferd möglichst unauffällig und ohne weitere artistische Einlagen meinerseits reitfertig zu machen.

Trotz der Kraftanstrengung, ist mir nicht ein Stück wärmer geworden, denn die Kälte kriecht durch die Ledersohlen der Reitstiefel in meine sowieso schon eiskalten Füße und mit klammen, unbehandschuhten Fingern – aus Schaden wird man nun ja klug – friemle ich den Pullriemen durch die Schnalle, was gar nicht so leicht ist, denn daran kleben noch Reste der gestern verfütterten Pferdeleckerli der Sorte Mango mit Honig – was man unschwer riechen und noch unschwerer erkennen kann. Also knibble ich erst einmal die Krusten vom Leder und fädle das steife Riemchen in die Schnalle ein.

Das ärgert aber nun den Trakki, dem das sowieso alles zu langsam geht und wo ich doch gerade so schön vor seiner Nase stehe, da schleudert er nun hinterhältig ahnend, dass sein Nasenbein stabiler ist als meins, seinen Kopf nach vorne in Richtung meines Gesichtes und macht daraufhin auch eines, nämlich ein sehr unschuldiges, während mir das Blut auf die Stiefel tropft und vor meinen Augen lauter weiße Punkte vor einem dunklen Hintergrund zerplatzen.

Zum Glück ist der Zwischenfall ohne Zuschauer geblieben und nachdem ich ein nicht mehr ganz sauberes, aber zumindest brauchbares Papiertaschentuch in meiner Reithosentasche gefunden habe, kann ich auch die verräterischen Blutspuren beseitigen und mein Riechorgan säubern.

Eigentlich ist mir die Lust am Reiten nun schon vergangen, aber wo ich schon mal mit meinem gesattelten Pferd auf der Stallgasse stehe, da kann ich nun auch Richtung Halle gehen, denn Trockenübungen sind noch weniger mein Fall, als Reiten bei klirrender Kälte.

Artig rufe ich Tür frei, denn in der Bahn ist schon ein wildes Getümmel, aber auf die Antwort „ist frei“ warte ich vergeblich, was mich wieder einmal in meiner Meinung bestärkt, dass Höflichkeit zwar laut Knigge eine Zier sein soll, aber man ohne sie einfach weiter kommt. Während ich noch überlege, ob ich nun statt „Tür frei“ einfach „hey ma alle wech da!“ brüllen soll, klingt ein zaghaftes Stimmchen an mein Ohr, das mir den freien Eintritt in die Halle gewährt. Offensichtlich gibt es doch noch Leute, die sich mit den Bahnregeln vertraut gemacht haben, bevor sie aufs Pferd steigen.

Mein Pferd zum Aufsteigen in die Mitte zu führen ist nicht möglich, denn in der Schnittmenge der beiden Zirkelhälften steht Meike, die Tochter des 1. Vorsitzenden unseres Vereines und spricht in ihr Mobiltelefon. Dabei sitzt sie natürlich auf Sandrohall, einem Rappen von sehr bekannter und angesagter Dressurabstammung worauf man unschwer kommen kann, weil das schwarze Pferdchen den Vornamen seines Vaters Sandro Hit trägt und den Nachnahmen seines mütterlichen Großvaters Donnerhall. Er ersetzt seit 5 Monaten sein Vorgängermodell Fiderrubin, einen westfälisch gebrannten Braunen aus der Hengstdynastie des Florestan väterlicherseits und des Rubinstein mütterlicherseits, der es leider, trotz einer zu großen Hoffnungen berechtigten Veranlagung und exorbitantem Auktionspreis nicht schaffte seiner Reiterin Platzierungen in der vergangenen Saison zu beschaffen, um ihre Leistungsklasse auf vier klettern zu lassen... Klar, dass man einem so dermaßen talentfreien Tier nicht weiterhin den Hafer bezahlt, den es zu fressen wünscht und da der Papa mindestens Olympiahoffnungen in seine Tochter setzt, wurde Fiderrubin –zwar mit Verlust- verkauft und Sandrohall zog in seine Box ein. Fiderrubin soll wohl aber, so hörte man, unter der neuen Besitzerin mittlerweile recht erfolgreich sein ... aber das liegt ja wohl keinesfalls am Talent der Reiterin – hieße das ja, dass Meikes Können eher bescheiden wäre. Meike hat darum einen Grund gefunden, der uns allen sehr wahrscheinlich scheint – die neue Besitzerin von Fiderrubin besticht vor jedem Ritt den Richter, weil sie die Leiche in seinem Keller kennt!

Jedenfalls versuche ich mir nun ein Plätzchen zu ergattern, wo ich mein Pferd erklimmen kann, ohne dass ich Sorge haben muss, als lebendes Hindernis missbraucht oder wie eine Briefmarke platt gemacht zu werden.

Ich strebe also zur oberen Zirkelmitte, denn der untere Zirkel ist schon von Wiebke belegt, die dort ihren Don Brentano longiert – zumindest soll das, was sie da probiert wohl dem Longieren sehr nah kommen, denn ihr Fuchs rennt in abenteuerlicher Geschwindigkeit und beachtlicher Schräglage um Wiebke herum, die mit beiden Händen die Longierleine festhält – die Longierpeitsche hat sie aus Mangel an freien Händen auf die Erde gelegt, aber vermutlich bräuchte der Wallach nun auch eher einen Anker, der ihn bremst, als eine Gerte.

Mein Trakki findet das Schauspiel jedenfalls sehr erquicklich und ich kann in seinen Augen den Funken von Abenteuerlust erkennen, den er immer bekommt, kurz bevor der Schweif steil über der Kruppe weht, seine Nüstern sich weiten und blähen und er schnarchelnde Geräusche daraus produziert.

Im Prinzip wartet er nun nur noch darauf, dass der Startschuss fällt und er seiner sich unter dem Winterfell abzeichnende Spannung der Muskulatur mit einem Freudenhopser Luft machen kann. Bis dahin trippelt er unruhig mit piaffeartigen Tritten auf der Stelle herum, bzw. er verlagert die Stelle auf welcher er herumtrippelt auf meinen Fuß.

Wenn ich eben noch annahm, dass mein lädiertes Nasenbein an diesem Abend der Höhepunkt der Schmerzhaftigkeit meiner selbst sein würde, dann werde ich nun eines besseren belehrt, denn in den eben noch vor Kälte taube Fuß kehrt jäh Gefühl zurück. Allerdings kein besonders Gutes und im Prinzip würde ich nun Frostbeulen einem vom Pferdehuf solide blau gequetschten Zeh vorziehen.

Während ich noch versuche, den Schmerz wegzuatmen, indem ich hechle und schnaufe wie eine Gebärende im Kreissaal, damit ich nicht mit einem Schmerzensschrei mein Pferdchen zu ernsthaften Kapriolen ermutige – so ein Trakehner ist doch schließlich sensibel! – da reitet Anne mit ihrer Fuchsstute Weltmeyerin an mir vorbei und schnaubt verächtlich:“ Du wirst Dich noch umbringen mit dem verrückten Trakehnertier!“ Weltmeyerin teilt offensichtlich die Meinung ihrer Besitzerin voll und ganz, denn sie legt die Ohren an und giftet meinen Elchschaufler zickig an. Um ihren Gebaren noch mehr Nachdruck zu verleihen, kickt sie galant in unsere Richtung aus.

Das Nervenkostüm meines Pferdes ist schon unter weniger dramatischen Umständen nicht das beste, aber nun ist er extrem echauffiert und vergisst prompt all seine guten Manieren und auch, dass man keine Mädchen haut. Blitzschnell feuert er seine Hinterhufe nach der roten Hannoveranerin und verfehlt um ein Haar ... die Schimmelstute von Frau Doktor, die gerade auf der Diagonale zum Mitteltrab ansetzte.

Mein Trakki macht ein möglichst unschuldiges Gesicht und wenn er pfeifen könnte, dann würde er nun ein Liedchen über sein Trensengebiss pusten, damit keiner auf die Idee kommt, dass er was mit der Sache zu tun hat. „Breitmaulfrösche? Gibt’s die hier?“ würde er mit gespitzten Lippen fragen, wie der Breitmaulfrosch, dem der Storch erklärt, dass er am liebsten Breitmaulfrösche frisst. Jeden Verdacht von sich abzulenken, das ist nun die Devise, die mein Pferd anzustreben nun bemüht ist.

Frau Doktor erkennt aber den Wolf im Schafspelz und das Unschuldslamm ist bereits als Täter enttarnt, denn sie pariert die fast getroffene Schimmeline durch und deutet vorwurfsvoll auf mich:“ Siiiiiiiie“, tadelt sie mich, als hätte ich der Stute einen versucht zu verplätten, „ wenn Sie ihr Pferd nicht unter Kontrolle haben, dann müssen Sie draußen reiten, wo sie niemanden gefährden!“

Frau Doktor trabt von dannen und ich überlege, ob ich ihren Rat besser annehmen sollte – wo man sich blaue Flecken holt ist doch eigentlich auch egal, aber draußen stände ich jedenfalls nicht so unter Beobachtung.

„Willst Du hier Wurzeln schlagen, oder steigst Du heute noch auf?“ Ludger reißt mich aus meinen Überlegungen und steht mit einem Hindernisständer vor mir, den er nun versucht, neben den auf der Erde des Zirkelmittelpunktes liegenden bunten Stangen zu deponieren. Den Zügel seines Cor de Landgrafs hat er lässig über sein Handgelenk drapiert und offensichtlich bin ich ihm nun im Weg, denn wo ich mein Pferd geparkt habe, da soll sein Steilsprung nun aufgebaut werden. „Wenn Du aber sowieso nur rumstehst, dann kannst Du ja die Stangen auflegen, wenn Landi was runterhaut“, meint er „ und halte Dich doch grade mal an einem Ständer fest – ich übernehme solange Dein Pferd“. Während ich noch überlege, wie er das nun meint, hängt er sich den Zügel vom Trakki auch noch über den Arm und bedeutet mir, indem er auf die Ecke der Hallenbande deutet, dass ich nun den zweiten Ständer holen soll, der da noch steht.

Ja spinnt der? Ich schnappe mir den Zügel meines Pferdes wieder und frage Ludger, was er mir dafür zu geben bereit wäre, dass ich hier seinen Hindernistrottel mache, denn schließlich stehe ich nicht rum, sondern versuche auf mein Pferd zu klettern – falls das in diesem Leben noch möglich sein sollte. Ludger ist nun fast ein wenig beleidigt über die Abfuhr, die ich ihm erteilt habe und murmelt: „Weiber mit prämenstruellem Syndrom – die wissen doch nie was sie wollen!“

Ich ignoriere diese Unverschämtheit und stelle statt dessen den letzten noch heilen Fuß in den Bügel, um nun endlich auf mein ganz entspanntes Pferd zu steigen.

Ludger baut fleißig sein Trainingshindernis auf und ich muss nun in Ermangelung eines ruhigen Plätzchens meine Handschuhe im Schritt über die steifgefrorenen Finger streifen. Das Nachgurten wird dabei dann zur olympiareifen gymnastischen Übung, denn während ich schon fast mit dem Oberkörper im Kosakenhang neben dem Sattelblatt schwebe, zerre ich gegen mein luftgefülltes Pferd den Gurtriemen nach oben, habe aber das Gefühl, dass das noch eben vom Dorn besetzte Loch nun irgendwie verschwunden und das nächste unerreichbar ist. „Kuckst Du mal wo Du hinreitest?!“ Ups. Fast hätten wir uns mit Don Brentano in Wibkes Longe verwickelt, denn offensichtlich hat der Fuchs zwar ein Einsehen gehabt, dass man nicht schneller fertig ist, wenn man schneller läuft - zumindest prescht nun nicht mehr durchs Rund- dafür läuft er nun stetig rückwärts – wo er bremsen wird ist absehbar, denn die Halle ist bei 20 x 40 Metern an der Bande begrenzt.

Ich entschuldige mich und entdecke erfreut, dass die Schnittmenge der Zirkel nun frei geworden ist, denn Meike steht ohne Handy an der Hallenbande und drapiert ihre Daunenreitjacke darüber.

Eben diese Jacke, von Meike über die Bande geworfen, wird Sekunden später für Anne zum Prüfstein des Gehorsams ihrer hannoverschen Fuchsstute, deren Reizbarkeitsschwelle in gleichem Maß sinkt, wie das Quecksilber des Thermometers.

Weltmeyerin bremst abrupt und steht dann irritiert vor dem federngefüllten Bandenmonster, beschließt es dann, als gefährlich einzustufen und erst einmal die Flucht nach hinten anzutreten. Dort trifft ihr Schweif aber eine Pferdelänge später auf die Nüstern von Sandrohall, der dort gerade von Meike entkleidet wird und mit Schwung landet nun auch noch die Abschwitzdecke, welche die Nieren des Rappen warm halten sollte auf der Bande ... oder fast, denn als Weltmeyerin den Schwarzen nun anrempelt, verfehlt die deckenschwingende Meike ihr Ziel und die Decke rutscht vom Holz ab in den Hallensand.

Sandrohall ist zwar ein sehr nervenstarkes Pferd, aber als er nun zuerst von vorne geschubst wird und ihm dann auch noch die Abschwitzdecke vor die Hufe flattert, da nimmt er mit einer fliegenden Wende Reißaus. Meike verliert fast das Gleichgewicht, aber was noch schlimmer ist, das Handy, welches gerade mit der Melodie des Jambafrosches einen Anruf melden wollte.

Nach den ersten Takten klingt der Frosch erwürgt, denn der Klingelton stirbt jaulend ab - Welmeyerins Hinterhuf hat ihm den Garaus gemacht!

Obwohl Meike noch bemüht ist, den flüchtenden Sandrohall zu bremsen, hat sie noch genügend Puste, um Anne anzuschreien:“ Das war mein neues Nokia! Ich hoffe Du bist gut versichert!“ Anne schafft es leider nicht gleich, Meike entsprechend Paroli zu bieten, denn sie sucht noch immer den Vorwärtsgang ihrer Fuchsin, aber an der kurzen Seite ausgebremst, wo nun auch Don Brentano angekommen ist, den Wiebke mit vor Anstrengung hochrotem Gesicht festzuhalten versucht, bevor er die Richtung wechselt und mit dem Hintern den Steilsprung von Ludger zerlegt, brüllt Anne nun:“ Wer schmeißt denn seine Klamotten so blöd auf die Bande? Hä?“ Bevor aber nun Zickenalarm den Lärmpegel in der Reithalle erhöht, brüllt Ludger:“ Seid Ihr eigentlich alle übergeschnappt, oder was? Nimm Dein Pferd und raus hier Wiebke – wenn mehr als drei reiten, dann wird nicht mehr longiert!“ „Aber auch nicht gesprungen“, kontert Wiebke, die ihrem verschreckten Fuchs nun erst mal aus den Seilen helfen muss, denn das zu Boden rumpelnde Holz der Stangen und der neben ihm umstürzende Ständer haben auch Don Brentano völlig seiner Fassung beraubt und nun beschließt er wohl lieber Wiebke sein Vertrauen zu schenken, als weiterhin von Hindernissen erschlagen und Longierleinen gehobbelt und seiner Freiheit beraubt zu werden.

Während Don Brentano nun wie angewurzelt steht, Weltmeyerin sich noch nicht entscheiden kann, ob sie nun lieber weiterhin bremst oder sich traut, wieder nach vorne zu gehen und Meike ihrem Schwarzen mit einem Insterburger die ganze Parade zum Halten verdeutlicht, irrt einzig nur noch die Schimmelige von Frau Doktor im starken Galopp durch die Halle, denn in dem ganzen Durcheinander nutzte sie die Gunst der Stunde, sich vor den polternden Stangen zu erschrecken um nun endlich auch mal ihrem Stallmut Luft zu machen. Dass Ihre Reiterin dabei fast die Sattelhaftung verliert und die sorgsam ondulierte Aufsteckfrisur etwas degagiert wirkt, nachdem die Haarnadeln aus dem Dutt rutschten, amüsiert nun alle Anwesenden gleichermaßen und Anne fängt sogar an zu kichern. Frau Doktor versucht ihre renitente Stute in eine Ecke zu steuern, um sie zu bremsen, aber die sind bereits alle besetzt, denn Annes Weltmeyerin hat sich fürs stehen bleiben entschieden, und in die restlichen Ecken haben sich Ludger, Meike und Wiebke verkrümelt. Ich halte nach wie vor die Schnittmenge besetzt und bin schon froh, dass sich mein Trakki mit rumzappeln und schnarcheln begnügt und sich nicht von der allgemeinen Stampede anstecken ließ, aber offensichtlich scheint sich die Schimmelstute nun zur Rache an meinem Pferd entschlossen zu haben und steuert auf uns zu.

Kurz bevor sie uns niedermähen, entschließt sich mein Trakehner zu einem fliegenden kurz kehrt und so touchieren sich die Pferde nur leicht – nur der Steigbügel der Doktorin trifft zielsicher meine Kniescheibe. Mein Schmerzlaut hört sich wohl in den Trakehnerohren wie ein Kampfschrei an und er geht wohl davon aus, dass das Halali somit geblasen ist, um endlich im Getümmel mitmischen zu dürfen. Mit einem Bocksprung startet er zur Attacke und während ich noch bemüht bin, das Gleichgewicht wiederzufinden, nachdem ich beim Zusammenprall des Bügels mit meinem Knie dasselbe verlor, bekomme ich nun noch einen Schlag gegen mein Kreuzbein, denn den Freudensprung nach vorne vervollkommnet mein Elchschaufler nun zur Kapriole und feuert gleichzeitig nach hinten aus. Bevor der Trakki nun Gas gibt und die Erdanziehungskraft nun meinen desolaten Knieschluss endgültig übertrifft, lasse ich geistesgegenwärtig zumindest die Bügel los und treffe dann mit dem Rücken auf die frostige Erde.

Mein Pferd hat nun Spaß und quietscht und bockt fröhlich und Ludger schreit, seinen Wallach, der gerne mithopsen würde nur mit Mühe bändigend: „ Halt doch mal jemand den blöden Gaul fest!“

Über diese üble Beleidigung meines Trakkis kann ich mich nicht gleich beschweren, denn noch bin ich mit dem Ringen nach Atem beschäftigt, aber im Geiste habe ich mir die Frechheit notiert und auf der Kopfeigenen Festplatte abgespeichert.

Während der Trakki sich nun mit Frau Doktors Schimmelstute ein vereinsinternes Rennen liefert und die restlichen Reiter sich bemühen, nicht auch noch koppheister zu gehen, wird Wiebke zur Frau der Tat und während sie mit einer Hand Don Brentano an der Longe unter Kontrolle hält, sucht sie mit der anderen in ihrer Reithosentasche. Ich überlege noch, ob sie nun ein Taschentuch als Eratz für die weiße Flagge sucht, damit sie sich dem Takki noch rechtzeitig ergeben kann, bevor er sie über den Haufen metert, da fördert sie ein Leckerli zutage und legt es auf die einladend ausgestreckte Handfläche.

Die Miene meines bis zur Charakterlosigkeit verfressenen Pferdes erhellt sich schlagartig und man kann förmlich die Gedankenblase sehen, die zwischen den Ohren entsteht und in der sich in 20-er Schrift und fetten Neonleuchtbuchstaben das Wort „FUTTER“ formt.

Er bremst seinen flotten Galopp und trabt erfreut auf Wiebke zu, die ihm den Leckerbissen gibt und gleichzeitig den Zügel greift. „Ich hab ihn!“

Ein Zuschauer, der nun mir zur Hilfe kommen will, fragt vorsichtig : „Tür frei?“ aber wie immer kommt das „Ist frei“ nicht und so wägt er wohl ab, die Tussnelda im Hallenstaub lieber krepieren lässt, oder unhöflich die Tür trotz der fehlenden Freigabe öffnet. Er entscheidet sich für letzteres und stürmt in die Bahn.

Ich glaube, er hat seine Hilfsbereitschaft gleich wieder bereut, denn Frau Doktor hat die Schimmelstute noch nicht ganz unter Kontrolle und galoppiert mit aufgelöster Haarpracht noch immer im Rund. Zwar springt die Stute noch verschreckt zur Seite, als die Hallentür vor ihr aufgerissen wird, aber dem eiligen Helfer kann sie doch nicht mehr ganz ausweichen, touchiert den Hilfsbereiten und der geht nun zu Boden.

„Na das kann ja spannend werden“, denke ich so, während ich noch immer wie ein Käfer auf dem Rücken auf dem Hallenboden herumliege, um wieder zu Atem zu kommen, „wenn sich hier jetzt alle niedergestreckt im Sand verteilen, dann lohnt es sich zumindest, einen Sanitäter anzurufen und wir bekommen Mengenrabatt in der Ambulanz des örtlichen Krankenhauses“, obwohl in diesem Fall mir ein Schnaps lieber gewesen wäre, denn der hätte vielleicht die bleierne Kälte und den Schmerz aus meinem geschundenen Körper vertrieben.

Mit dem Mengenrabatt ist es dann doch nichts, denn mein Retter steht schon wieder auf den Füßen und klopft sich den Hallensand aus dem Hosenboden, als er von einer atemlosen Frau Doktor, die ihr Pferd dank der sich öffnenden Hallentür wieder unter Kontrolle gebracht hat gerügt wird:“ Können Sie nicht warten, bis die Tür frei gegeben ist, Sie hirnloser Trottel?“ Und Frau Doktor denkt auch praktisch und gibt dem armen Kerl gleich den Auftrag:“ Aber wenn Sie sowieso schon mal hier drin sind und offensichtlich sinnlos rumstehen, dann heben sie doch gleich mal die Decke da drüben auf!“ „... und mein Handy“, schreit Meike.

Er tut wie ihm geheißen, sammelt die Handyreste und Meikes Abschwitzdecke auf und nach einem absegnenden Nicken der Besitzerin der Utensilien Richtung Bande, drapiert er beides auf der hölzernen Ablage. Bevor Frau Doktor ihm sagen kann, dass er mich der Ordnung halber doch auch mit gleich aufheben und aus der Halle entfernen soll, raffe ich mich dann selbst auf.

Dafür meldet sich Ludger zu Wort. „Und wer baut mein Hindernis nun wieder auf?“ Mein Held, der eigentlich nur hilfsbereit einer gestürzten Reiterin aufhelfen wollte, mutiert nun zum HT- dem Hilfstrottel, der klaglos auch noch Ludgers Steilsprung wieder springtüchtig macht.

Dafür helfe ich mir jetzt halt selbst und der fleißige Helfer eilt zielstrebig Richtung Ausgang und verschwindet ohne „Tür frei“ zu rufen wieder nach draußen.

Ächzend humple ich auf mein genusssüchtiges Pferd zu, das mich kauend und nach Mango-Honig-Leckerlis duftend, freundlich empfängt.

Wie konnte diese Geschmacksrichtung eigentlich in Reitsportläden den Trend vorgeben? Meines Wissens gibt es kaum Pferde, die auf Mangobäumen rumklettern und danach einen Bienenstock überfallen und ausrauben um diesem exotischen Geschmack zu frönen – trotzdem bin ich sofort zum örtlichen Reitsporthändler gefahren um eine Tüte damit für meinen Trakehner zu erstehen, als ich das Zeug in einer Fachzeitschrift entdeckte, denn schließlich will ich mir nicht vorwerfen lassen, dass ich mein Pferd zum Außenseiter in Sachen Zusatzfutter degradiere. So ein Pferd hat ja schließlich auch Gefühle und wenn meiner der einzige im Stall ist, der nicht nach Mango-Honig aus dem Maul duftet, sondern einfach nur nach Hafer – nicht auszudenken was für einen Schaden das an seiner sensiblen Trakehnerseele verursachen könnte und welche Kosten da auf mich zukämen, wenn außer dem Pferdezahnarzt, dem Osteopathen, der Craniosakralen Therapeutin, dem Tierheilpraktiker und dem Fachtierarzt für Pferde noch weitere Leute, wie z.B. der Pferdepsychologe Rechnungen an mich schreiben würden.

Mir tut das Kreuz weh, meine Nase puckert und mein Zeh klopft parallel im immer enger werdenden Stiefel. „Danke Wiebke“, murmle ich, als ich den Zügel aus ihrer Hand entgegen nehme. „Gern geschehen“, grinst sie. Pah, denke ich, die war schlauer als ich und das nächste Mal longiere ich auch lieber, denn das scheint mir sicherer zu sein – zumindest kann man dabei nicht vom Pferd fallen.

In der Halle hängt nun dichter Nebel von schwitzenden Reitern und dampfenden Pferden und ... von Meikes Zigarette, denn wo nun das Handy die rechte Hand nicht mehr belegt, da ist doch wenigstens der Platz frei für einen Glimmstengel - ob sie sich zur absoluten Entspannung nun auch noch gleich ein Glas Rotwein einschenkt? Wohl eher doch nicht, denn schließlich hat sie dafür nun wirklich keine Hand mehr frei.

Aber vielleicht sollte ich mir überlegen, in Zukunft ein gutes Buch zum Reiten mitzunehmen, um mir damit die wenig zeitweiligen Schrittphasen zur Aufwärmung der Pferdegelenke angenehm zu verkürzen. Ein Gestell, das man sich als Buchständer um den Bauch schnallt, damit man sogar beide Hände zur Zügelführung frei hat, falls man doch mal bremsen muss, wäre eventuell doch mein Beitrag zum nächsten Wettbewerb der Spoga „Innovation im Reitsport“. Vielleicht auch mit Rück- und Außenspiegel versehen, damit man den Überblick im Hallengewurle nicht verliert.

Und es spart vermutlich den Reitlehrer – wenn man sich das Lehrbuch nicht vorbeten lassen muss, sondern direkt nachlesen kann ...

Alle sortieren sich nun wieder, setzen sich im Sattel zurecht und beginnen wieder ihre Pferde zu arbeiten.

Anne ist es nun auch zu warm geworden und obwohl Weltmeyerin der Sache nicht ganz traut, denn schließlich ist sie ein Dressurpferd und die sind bekanntlich sensibel, bleibt sie neben der Bande stehen, bis Anne sich aus ihrer Jacke geschält hat, dann muss sie sich aber doch noch ein bisschen empören, weil man als Fluchttier ja immer damit rechnen muss zur Beute eines Tigers zu werden. Dass die in unseren europäischen Breitengraden selten frei herumlaufen, es sei denn sie sind aus dem Käfigwagens eines Wanderzirkus ausgebrochen, interessiert so ein hochtalentiertes hannoversches Fuchsstütchen in diesem Moment herzlich wenig. Während sie also ein bisschen herumtänzelt, meckert Meike bereits von schräg seitlich:“ Ich denke Dein Pferd ist so schreckhaft – als ich meine Sachen da hingelegt habe, da hast Du mich gleich angemotzt und jetzt sieht das hier aus, wie ein Trainingslager für ne Gelassenheitsprüfung!“ „Meike, ich lege meine Sachen auf die Bande – Du hingegen wedelst mit der Decke rum, wie der Torero mit dem roten Tuch vor dem Stier, dass alle Pferde Panikattacken bekommen und schmeißt sie dann auch noch daneben, damit dann auch noch die Hausfrauenliga abstürzt!“ Anne schaut beifallheischend in die Runde und ich überlege, ob ich nun beleidigt sein soll, weil ich offensichtlich nun endgültig von der Jugend zur Kochlöffelfraktion gezählt werde oder Beifall klatschen soll, weil sie so nett zu mir hält. Ich entschließe mich dann aber doch nicht zu klatschen, weil ich gerade unter viel Gekeuche und Gestöhne in den Sattel meines Trakkis zurückgeklettert war und ungern riskieren möchte, dass ihn mein Händeklatschen zu weiteren Heiterkeitsausbrüchen motiviert.

Zwischenzeitlich entledigt sich auch Ludger seiner Jacke und Ludgers Springpferd, das er mittels einer Schermaschine ungefragt seines Winterfelles beraubte, braucht nun beim Traben auch keine Hüllen mehr und wirkt wie der Reichstag, nachdem er von Christo eingepackt und dann wieder ausgepackt wurde – im Prinzip halt nackig.

Auf der Bande sieht es, nachdem sich die Reiter selbst und ihre Pferde nun entblätterten aus, wie auf dem Tresen bei der Wohlfahrt – Donnerstags von zwei bis fünf, wenn Altkleiderannahme ist – überall hängen und liegen nun Kleidungsstücke zu denen sich eigentlich beständig noch weitere Teile gesellen, denn Anne findet in jeder Runde noch ein Kleidungsstück, das sie auf der Bande ablegen kann – eine Weste, einen Fleecepulli und Ludger harrt erwartungsvoll dem Moment, wo es ihr auch im Sweatshirt zu warm wird. Fasziniert ist sein Blick auf Annes noch züchtig bedeckten „Germanys-next-Top-Model-Körper“ geheftet und ich kann nur hoffen, dass er beim Starren bleibt und nicht auch noch anfängt zu sabbern, wie ein Boxerhund, dem man eine Kalbshaxe hinhält

Ich glaube aber nicht, dass sie da noch viel ausziehen kann, denn viel drunter trägt sie sicher nicht mehr - schließlich wirkt sie jetzt schon so beneidenswert schlank, wie nach einer Brigitte-Diät. Jedenfalls sah sie im sieben-Schichten-Zwiebellook noch dünner aus, als ich im Bikini ... obwohl mich der auch nicht unbedingt vorteilhaft zur Geltung bringt und ich hoffe jedes Jahr, dass die geringelten Badeanzüge, die aussehen wie Ganzkörperkondome, den moppeligen Torso, die Oberarme und die Oberschenkel bis zum Knie bedecken und ein Bauch-weg-Mieder eingebaut haben, wieder modern werden, welche die Pölsterchen unter segenreichem Lycra zusammenpressen, denn bis dahin kann ich entweder aufs Schwimmen verzichten, oder quetsche mich in einen Taucheranzug und bewege mich unter der Wasseroberfläche, wo mich niemand sieht.

Zumindest diesen Vorteil bietet mir der Winter – alle denken, ich trag noch was drunter und keiner merkt, dass es sich dabei um transformierte Lebkuchen- und Glühweinexzesse handelt, die sich an meine Hüften geheftet haben.

Auch Frau Doktor trägt Sommers wie Winters barocke Formen und ihr nutzt ausziehen wohl auch nichts – denn sie ist halt wirklich übergewichtig und selbst Ludger legt vermutlich bei ihr keinen Wert darauf, sie zu ermuntern noch mehr Kleidungsstücke abzulegen, weil da nur noch nackte Haut unter dem letzten Skishirt ist, auf deren Anblick er dann auch gerne verzichtet – schließlich steht er nicht auf welke Haut und Cellulite, bei der man wahrscheinlich nicht mehr von Orangenhaut, sondern von einer Orangenplantage sprechen kann. Das wiederum interessiert dann aber Frau im Allgemeinen, denn es ist doch immer wieder beruhigend, wenn man sagen kann:“ Sooo schlimm sieht das bei mir aber noch nicht aus“.

Frau Doktor erspart und den Anblick trotzdem und auch bei Anne wartet Ludger vergeblich und so bremst er den Testosteronschub und widmet sich dann eben wieder seinem Pferd.

Ich selbst trabe noch ein paar Runden, damit das Satteln sich doch noch gelohnt hat und reite dann Schritt, damit mein Pferd trocken in die Box kommt.

Für Meike ist es nun auch Zeit, ihr Pferd in die Box zu stellen, denn nachdem sie ihr Handy genauer inspizierte und feststellte, dass sie für alle Anrufer mobil unerreichbar bleibt, zieht es sie ganz dringend nach Hause ans Festnetz.

Wiebke hat nach einem kurzen Versuch, Don Brentano noch einmal zu longieren einen Einlauf von Ludger kassiert, der jetzt endlich ein paar Sprünge machen möchte und Platz braucht und so verlässt auch sie die Halle.

Frau Doktor fühlt sich sichtlich unwohl, als Ludger nun „Sprung frei“ brüllt und angaloppiert. Für ihr Gewicht außerordentlich behände springt sie aus dem Sattel ihrer Schimmelstute, ruft Tür frei und ohne auf das ist frei zu warten – denn da wartet eh keiner drauf, verschwindet sie in der Stallgasse. Sie zahlt wohl lieber den Euro für das Solarium, als ihre Stute unter den lauernden Gefahren im Schritt trocken zu reiten.

Anne stört das Gespringe von Ludger auch irgendwie, denn Weltmeyerin ist sichtlich abgelenkt und absolut nicht in der Stimmung sich versammeln zu lassen. „Morgen longiere ich“, knurrt Anne und ich denke mir, dass ich wohl besser in der Mittagspause komme um mein Pferd zu bewegen, denn wenn morgen alle longieren, die das heute androhten ... na dann wird das eng hier drin.

Anne lässt die Zügel lang und holt sich ihre Jacke – für heute ist genug Pfeffer gestossen.

Der Vorteil an Springreitern ist, dass sie kurze effektive Trainingseinheiten bevorzugen und nachdem Cor de Landgraf viermal ohne „Klotz“ über die Stangen segelte und sich kein Parcoursdienst in Sichtweite zeigte, den man zum Höherlegen der Hindernisse missbrauchen könnte, klopft Ludger seinem Pferd den Hals, angelte sich Decke und Jacke von der Bande und reitet noch ein bisschen neben Anne im Schritt seinen Wallach trocken.

„Kommst Du noch ins Casino einen trinken? Ich lade Dich auch ein“, fragt er Anne, als sie Weltmeyerin anhält und absteigt. „Ja, wenn ich die Meyerin versorgt hab – aber nicht mehr so lange. Ich muss morgen arbeiten und da geht’s früh raus“, verspricht ihm Anne, während sie den Sattelgurt löst und den Kinnriemen des Reithalfters öffnet. Offensichtlich das Zeichen für Ludger nun auch von seinem Pferd zu springen – Vorfreude ist halt die schönste Freude ... oder war das doch die Schadenfreude?

Fast tut es mir leid, dass mein Pferd nun gerade abgetrocknet ist, wo ich doch nun die Halle für mich ganz allein hätte und niemand mehr springt, longiert oder mich sonst irgendwie aus dem Sattel hebelt.

Aber zumindest nutze ich die Gunst der Stunde, um meinem Pferd noch ein Freilauferchen und Kullerchen zu gönnen und wenn er sich dabei gerade noch ein bisschen Stallmut abbockt, überlege ich, dann reicht es ja auch ihn morgen in der Mittagspause nur eben schnell zu longieren.

Während ich nun meinem Trakki zuschaue, wie er sich scharrend eine Stelle sucht, auf der er sich wälzen kann – hoffentlich sieht das der Vorstand nicht, denn die schätzen Löcher im Hallenboden nicht so sehr – zieht es mich magisch nach Hause und meine diversen schmerzenden Stellen rufen den Gedanken an ein Rheumabad in mir wach und die Vorfreude auf eine Tasse Glühwein beflügelt mich, als ich nun mein Pferd versorge.

Meinen Retter, den ich dann doch nicht benötigte treffe ich leider nicht mehr, um mich trotzdem für seinen Heldenmut zu bedanken, aber ich beschließe ihm auch ein Rheumabad zu schenken, wenn ich ihn das nächste Mal sehe – der wird das sicher brauchen können.

Sandrohall, Don Brentano, Weltmeyerin, Frau Doktors Schimmeline und Ludgers Springpferd sind schon warm eingepackt und kauen zufrieden ihr Heu und mein hungriger Trakehner macht sich auch gleich über seine Abendration Rauhfutter her, während ich ihm die Winterdecke anziehe – allerdings regt sich nun auch in mir ein Hungergefühl, denn anderen beim Essen zuschauen kann ich nicht gut und so lege ich in Gedanken noch ein, zwei oder drei ... oder vier Spekulatius zum Glühwein dazu, denn die habe ich mir verdient und abnehmen tue ich morgen!

Autor: Sabine Bröckel,Forsthof-Antaris

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